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AGSWN gegen Abschaffung der Notarzt-Hilfsfrist

20.04.2021, 12:36 Uhr

Foto: R. Schnelle

„Begrenzte Heilkundekompetenz für Notfallsanitäter“ mache Notärzte nicht überflüssig


Die Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte e.V. (AGSWN) steht den Plänen des Innenministeriums von Baden-Württemberg kritisch gegenüber, die Hilfsfrist für Notärzte in dem südwestlichen Bundesland zur Gänze abzuschaffen. In Baden-Württemberg benötigen rund 2,2 Mio. Menschen pro Jahr den Rettungsdienst, in knapp 300.000 Fällen kommt der Notarzt zum Einsatz. Künftig soll nach den Plänen des Ministeriums in Stuttgart diese Hilfsfrist im Bereich der Notfallrettung nur noch für RTW gelten. Sie soll dafür von bisher maximal 15 auf dann maximal 12 Minuten verkürzt werden. Baden-Württemberg wäre mit dem Verzicht auf eine gesonderte Hilfsfrist bei Notärzten in Deutschland kein Einzelfall: Nur in 2 von 16 Bundesländern existiert eine solche Regelung überhaupt. Allerdings, so die AGSWN, könne diese Tatsache kein Beweggrund für deren Abschaffung sein. Auch den anderen Argumenten müsse „entschieden widersprochen werden“. Weder die „eigene begrenzte Heilkundekompetenz für Notfallsanitäter“, noch die Telenotarztsysteme, die in Baden-Württemberg derzeit zur Einführung anstehen, noch das landesweite medizinische Delegationskonzept machten es überflüssig, auch den Notarzt zu verpflichten, den Patienten in einer definierten Zeit zu erreichen. In der Praxis würde der Rettungsdienstplan nach den neuen Richtlinien keine planerischen Vorgaben für Notarztsysteme mehr enthalten, wonach bestimmte Eintreffzeiten einzuhalten sind.

Aus diesem Grund warnt die AGSWN vehement davor, hier Änderungen vorzunehmen. In einem Positionspapier der AGSWN, das von ihrem Vorsitzenden Prof. Dr. med. Matthias Fischer unterzeichnet, heißt es: „Der Entwurf der Neufassung des Rettungsdienstplans enthält Ansätze, welchen die AGSWN uneingeschränkt zustimmen kann, aber auch Bestrebungen, welche die notfallmedizinische Versorgung der Patienten verschlechtern und somit ... aufs Schärfste abgelehnt werden müssen.“ So wird die generelle Verkürzung der Hilfsfrist absolut begrüßt, der Umstand, dass der Notarzt dabei herausgenommen werden soll, absolut abgelehnt. Wie die AGSWN betont geht es ihr dabei nicht um „Standesdünkel“ oder darum, „Pfründe abzusichern“ und schon gar nicht darum, den Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern „die Qualifikation abzusprechen“, sondern ausschließlich um fachliche Beweggründe: „Im Mittelpunkt steht die Sicherstellung der gemeinsamen Versorgung von Notfallpatienten auf hohem Niveau.“ Es sei wissenschaftlich belegbar – durch Ländervergleiche ebenso wie durch Systemvergleiche –, dass der Notarzt bei Notfällen wie z.B. einer Reanimation, einem Myokardinfarkt oder einem Schädel-Hirn-Trauma „den Unterschied ausmachen kann“: „Diesen Notarzt braucht es dann schnell und nicht irgendwann.“ Die notärztliche Hilfsfrist ermögliche diesen notwendigen Zeitvorteil.

Telenotarztsysteme, so sehr deren Einführung auch zu begrüßen sei, könnten nach Ansicht der AGSWN den Rettungsdienst in Baden-Württemberg noch bei weitem nicht so ergänzen, dass durch sie in manchen Fällen der Notarzteinsatz hinfällig werde. Der Grund: Außer zwei geplanten Pilotregionen im südwestlichen Bundesland seien auf diesem Sektor noch keine Aktivitäten zu verzeichnen. Und genau darin sieht die AGSWN geradezu ein Risiko für das Rettungsdienstpersonal: „Die Notfallsanitäter laufen Gefahr, permanent in Situationen zu kommen, in denen sie ohne Notarzt tätig werden müssen.“ Zu diesem Punkt hatte es ja erst vor wenigen Wochen eine Debatte im Bundestag gegeben, in deren Folge eine Änderung des § 2a des Notfallsanitätergesetzes beschlossen wurde, in dem es um die eigenverantwortliche Durchführung heilkundlicher Maßnahmen durch Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter geht. Mit dieser Änderung sollte juristische Klarheit für solche Fälle geschaffen werden. Diese Gesetzesänderung solle aber den Zustand bis zum Eintreffen des Notarztes regeln, nicht seinen Ersatz, wie auch die AGSWN in ihrem Papier anmerkt. Aus diesem Grund sei der Hinweis auf die „begrenzte Heilkundekundekompetenz“ des Rettungsdienstpersonals auch kein Grund für die Abschaffung der notärztlichen Hilfsfrist. (POG)

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