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Ausnahmezustand im Berliner Rettungsdienst nimmt zu

11.07.2023, 11:57 Uhr

Foto: K. von Frieling

Feuerwehr legt Jahresbericht 2022 vor


Innensenatorin Iris Spranger (SPD) und Feuerwehrchef Karsten Homrighausen haben den Jahresbericht 2022 der Berliner Feuerwehr vorgestellt, die neue Rekordzahlen im vergangenen Jahr verzeichnete. Während im Jahr 2021 noch im Durschnitt alle 29 Sekunden ein Notruf einging, sind es nunmehr alle 26 Sekunden. Eine Entwicklung, die vor allem den Rettungsdienst an seine Grenzen bringt. So musste etwa in der ersten Hälfte des letzten Jahres nahezu täglich der Ausnahmezustand ausgerufen werden. Die starke Zunahme an Einsätzen wird u.a. auf den Bevölkerungszuwachs in der Hauptstadt zurückgeführt: Im Vergleich zu 2010 wurden im Jahr 2022 400.000 Menschen mehr erfasst. Aber auch der demografische Wandel und der Wegfall sozialer Netzwerke werden als Gründe angeführt. Zu den Hauptursachen zähle laut Bericht jedoch die Unterversorgung im Gesundheitssystem; Strukturen seien zu wenig ausgeprägt, etwa bei der hausärztlichen Versorgung und bei Notfallzentren in den Kliniken.

Im Juli 2022 wurde eine Steuerungsgruppe ins Leben gerufen. Zwei Mitarbeitende der Senatsverwaltung und zwei Beschäftigte der Berliner Feuerwehr erstatten der Innensenatorin täglich Bericht und hinterfragen Prozesse. Maßnahmen dieser Steuerungsgruppe werden direkt von Spranger an die Behördenleitung der Berliner Feuerwehr zur Umsetzung freigegeben. So wurde u.a. die Rettungsdienstzulage von fünf Euro pro Einsatz zum 1. Dezember 2022 eingeführt (wir berichteten).

Am 29. September 2022 veranlasste die Behördenleitung ein konzertiertes „Code-Review“, da die Rettungskräfte zu häufig zu „Bagatelleinsätzen“ ausrücken. Beteiligt hieran waren die Beschäftigtenvertretung sowie Mitarbeitende aus dem Einsatzdienst, der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und der Arbeitsgruppe Notarzt. Gemeinsam erarbeiteten sie ein aktuelles Bild als Entscheidungsgrundlage für die Leitung der Berliner Feuerwehr. Ziel war es, die Codes zu präzisieren, damit weniger dringliche Fälle an die KV weitergeleitet werden können. Dazu wurden Codes so optimiert, dass adäquate Versorgungsstrukturen angebunden werden.

Des Weiteren arbeitet bei der Berliner Feuerwehr seit September 2021 bereits eine Task Force zur Bedarfsdeckung und Entlastung im Rettungsdienst. Die Gruppe identifizierte vier relevante Themenfelder wie Anpassungen zur Verlangsamung ansteigender Alarmierungszahlen, Konzepte zur Abdeckung von Bedarfsspitzen, Reduzierung individueller Belastungen von Mitarbeitenden sowie neue flexible Arbeitsmodelle und Steigerung der Attraktivität des Rettungsdienstes als Arbeitgeber. Die Task Force wurde am 1. November 2022 in die „Koordinierungsstelle Rettungsdienst“ überführt.

Mit der Einführung der RTW-X zur Abdeckung von Bedarfsspitzen ist seit dem 1. August 2022 ein neues Konzept umgesetzt worden. 26 Feuerwachen wurden im letzten Jahr mit den zusätzlichen RTW ausgestattet. Diese können anstelle eines Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeugs (LHF) für Einsätze genutzt werden, wenn eine hohe Nachfrage dies erfordert. Die Gesamtzahl aller RTW-Alarmierungen lag von August bis Dezember 2022 bei 211.584 Einsätzen. Davon wurden 2.642 Einsätze durch RTW-X gefahren.

Im letzten Jahr konnte die Berliner Feuerwehr zudem einen neuen Höchststand mit 500 Nachwuchskräften verzeichnen. Mit dem Konzept der „Ausbildungsoffensive 500“ wurden bereits vor einiger Zeit die Weichen für mehr Nachwuchskräfte gestellt. Die Zahl der NotSan-Auszubildenden konnte von 48 Ausbildungsplätzen pro Jahr auf 150 im Jahr 2022 und auf 180 Plätze für 2023 gesteigert werden.

Am 13. Dezember 2022 wurde die Vorlage zur Beschlussfassung über das Zweite Gesetz zur Änderung des Rettungsdienstgesetzes (RDG) im Abgeordnetenhaus von Berlin verlesen. In dieser Beschlussfassung wird u.a. die Ausnahmeregelung in der Besetzung der Einsatzfahrzeuge thematisiert. Die Neufassung definiert erstmals die Gesamtverantwortung des Landesbranddirektors und ordnet damit die Stellung des Ärztlichen Leiters Rettungsdienst in die Behördenstruktur ein. Ebenso stellt diese Beschlussfassung eine Verlängerung der Einsetzbarkeit von Rettungsassistentinnen und -assistenten bis in das Jahr 2029 in Aussicht.

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