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Kann Rettungsfachpersonal einen Patienten aufklären?

07.05.2018, 08:39 Uhr

Foto: P. Böhmer

Juristische Einschätzung zur Kündigung eines Rettungsassistenten


Der Deutsche Berufsverband Rettungsdienst (DBRD) berichtet auf seiner Facebook-Seite über einen Rettungsassistenten, der durch seinen Arbeitgeber fristlos gekündigt wurde. Der Rettungsassistent soll einer Patientin zunächst einen Zugang gelegt und sie dann – nach entsprechender Aufklärung – zu Hause gelassen haben. Zwischenzeitlich hat sich auch der Arbeitgeber geäußert und widerspricht der Mitteilung des DBRD teilweise.

Die Situation wirft Fragen um die Kompetenzen des Rettungsfachpersonal, insbesondere bei der Aufklärung von Patienten auf. Im Zentrum steht die Frage: Kann Rettungsfachpersonal einen Patienten aufklären? Insofern sind rechtlich zwei Arten der Aufklärung zu unterscheiden, nämlich die „Einwilligungsaufklärung“ und die Aufklärung bei einem Patienten, der die Behandlung verweigert.

1. Einwilligungsaufklärung

Diverse medizinische Maßnahmen, z.B. i.v. Zugänge, Medikamentengaben, aber auch schon die Blutzuckermessung stellen Körperverletzungen dar und benötigen bereits aus diesem Grund einer Aufklärung und Einwilligung des Patienten (vgl. §§ 223, 228 Strafgesetzbuch). Daneben fordert auch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ausdrücklich die Aufklärung und Einwilligung des Patienten vor medizinischen Maßnahmen (§ 630d Abs. 1 BGB).

Diese Aufklärung muss mündlich durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt (§ 630e Abs. 2 Nr. 1 BGB). Wenn das Rettungsfachpersonal also zur Durchführung der Maßnahme qualifiziert ist, kann es auch den Patienten selbstständig aufklären und die entsprechende Einwilligung einholen (vgl. Spickhoff/Spickhoff, BGB § 630e Rn. 4, beck-online).

Insofern kann das Rettungsfachpersonal auch über Maßnahmen aufklären, die es selber durchführt (etwa i.v. Zugänge). Frühere Auffassungen, dass nur Ärzte aufklären dürften, sind rechtlich nicht mehr haltbar. Sie würden praktisch auch zu einem Kollaps des Systems Rettungsdienst führen, da dann theoretisch selbst zur BZ-Messung ein Notarzt nachzufordern wäre.

2. Aufklärung bei einem verweigernden Patienten

Die Aufklärung bei einem Patienten, der eine Versorgung oder einen Transport ablehnt, wird teilweise auch „Sicherungsaufklärung“ oder „therapeutische Aufklärung“ genannt (Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 58 Die therapeutische Aufklärung (Sicherungsaufklärung) Rn. 1-2, beck-online). Diese Aufklärung ist explizit nicht gesetzlich geregelt. Man kann daher die oben genannten Grundsätze entsprechend anwenden. Wenn das Rettungsfachpersonal den verweigernden Patienten an sich selbst versorgen würde, also keine Notarzt-Indikation vorliegt, kann es diesen Patienten grundsätzlich auch bei seiner Verweigerung über drohende negative gesundheitliche Folgen aufklären.

Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Dokumentation zu legen – auch zu der Frage, ob der Patient entscheidungsfähig ist. Bestehen diesbezüglich Zweifel, etwa wegen seiner Erkrankung oder einer Intoxikation, sollte immer ein Notarzt nachgefordert werden, ebenso bei absehbarer Lebensgefahr des Patienten. (Guido C. Bischof, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Rettungsassistent)

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