
Dr. Torsten Gerhard, Béla Anda, Prof. Dr. Christoph Moench, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Prof. Dr. Andreas Pitz, Prof. Dr. Wolfgang Spoerr, Noemi-Victoria Steiger, Pierre-Enric Steiger, Christof Chwojka (von oben links nach unten rechts) (Foto: Björn-Steiger-Stiftung)
Die Björn-Steiger-Stiftung hat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland und gegen das Land Baden-Württemberg erhoben. Beklagt wird zum einen, dass der Bund seiner Aufgabe, die Notfallversorgung der Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen, nur unzureichend nachkomme und kein durchgängig funktionierendes, flächendeckendes Rettungsdienstsystem mit bundesweit vergleichbaren Qualitätsstandards zur Verfügung stelle. Zum anderen verletze das baden-württembergische Rettungsdienstgesetz vom Juli 2024 das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Das Bundesland stehe stellvertretend für alle Bundesländer, für die eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Auswirkungen haben könnte.
Das Rettungswesen, so die Steiger-Stiftung, befinde sich seit Jahren in einer „lebensbedrohlichen Systemkrise“: Die Fallzahlen der Notrufe seien stark gestiegen, während der Rettungsdienst häufig durch Einsätze in nicht-lebensbedrohlichen Fällen blockiert werde und damit nicht für echte Notfälle verfügbar sei. Die Länge und Berechnung der Hilfsfristen würden unterschiedlich gehandhabt werden und es gebe erhebliche Qualitätsunterschiede in der geografischen Fläche sowie zwischen Stadt und Land. Es sei aus medizinischer Sicht inakzeptabel, dass der Bund seiner Verpflichtung, einen einheitlichen Rettungsstandard vorzugeben, immer noch nicht nachkomme. Damit vernachlässige der Bundesgesetzgeber seine grundrechtliche Schutzpflicht, die aus der Finanzierung der medizinischen Infrastruktur einschließlich der Notfallrettung über die Sozialversicherung hervorgehe.
Das am 1. Juli in Baden-Württemberg in Kraft getretene Rettungsdienstgesetz fördert nach Ansicht der Björn-Steiger-Stiftung fehlerhafte Vorgaben und veraltete Organisationsstrukturen. Zuständigkeiten und Strukturen im Notfall seien nicht umfassend geklärt, entsprächen nicht internationalen Standards und würden die Überlebenschancen lebensbedrohlich Erkrankter verringern. Das Gesetz lasse darüber hinaus offen, auf welcher Rechtsgrundlage die Notfallrettung in Baden-Württemberg derzeit durchgeführt werde. Ein Rettungsdienstplan als Grundlage für die Rettungsdienstbereichspläne liege bis heute noch nicht vor. Es fehle daher in Baden-Württemberg bereits formell an einem die grundrechtliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG konkretisierenden Schutzkonzept mit materiellen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und Berechenbarkeit des Rettungsdienstes.