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DGINA stellt Notarztindikationskatalog der Bundesärztekammer infrage

19.12.2023, 11:57 Uhr

Heilkundliche Maßnahmen des Rettungsfachpersonals wurden nicht berücksichtigt


Die Deutsche Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) hat in einer Stellungnahme grundsätzliche Kritik an der Aktualisierung des Notarztindikationskataloges (NAIK) der Bundesärztekammer geäußert. Die dichotome Betrachtung einer Notarztindikation im Rettungsdienst sei überholt, heißt es darin. Es müssten die gesamten Behandlungspfade der Notfallpatienten berücksichtigt, dafür notwendige Versorgungsmaßnahmen festgelegt und schließlich daraus die am besten geeignete „Reaktion des Systems Rettungsdienst“ definiert werden. So würde sich ein Gesamtkonzept ergeben, das definiert, welche Kompetenz zu welcher Zeit bei welchem Patienten notwendig ist. Nur das ermöglicht dann im nächsten Schritt einen gezielten und sinnvollen Einsatz der verschiedenen Qualifikationsniveaus (RettSan, NotSan, NotSan mit Zusatzqualifikation, Notarzt) im Rettungsdienst. Dafür müssten jedoch die aktuell verfügbaren Fähigkeiten und Kenntnisse des Personals berücksichtigt werden. „Leider entschied sich der AK NAIK, diesbezüglich keinerlei heilkundliche Maßnahmen im Portfolio des Rettungsfachpersonals zu berücksichtigen.“ Auch wenn dies nicht in allen Rettungsdienstbereichen einheitlich umfassend geregelt worden sei, sollte das erwartbare Niveau am Pyramidenprozess ableitbar und somit zunehmend als Mindeststandard gefordert werden.

Auch dem Untertitel „Handreichung für Disponenten in Rettungsleitstellen und Notdienstzentralen“ werde der NAIK nicht gerecht. Ein großer Teil der Disponentinnen und Disponenten in Rettungsleitstellen arbeite nicht mehr anhand von „Handreichungen“ Dritter, sondern in fest definierten und teilweise gesetzlich geregelten Strukturen. Somit müssten die Empfehlungen der BÄK zur Indikationsstellung des Notarzteinsatzes im Rettungsdienst als eine berufsständische Stellungnahme einer der beteiligten Berufsgruppen am notfallmedizinischen Gesamtsystem verstanden werden. Zudem kritisiert die DGINA, dass die ausgewählten lebensbedrohlichen Zustände zwar nach dem ABCDE-Schema geordnet und klassifiziert wurden, der Bereich „kritische Blutungen“ als mittlerweile fest etablierter Bestandteil des <x>ABCDE bzw. <C>ABCDE überhaupt nicht berücksichtigt wurden.

Auch Telenotarztdienste seien explizit ausgeschlossen worden mit der Begründung fehlender Evidenz zur primären Disposition. Diese gebe es allerdings in einigen der etablierten Telenotarztsystemen sehr wohl. Zudem werde die vom AK NAIK angeführte primäre Disposition außerhalb von Verlegungsbegleitungen inzwischen ohnehin zumeist als obsolet angesehen.

Inwiefern bei den im NAIK aufgeführten Notarztindikationen explizit ein Notarzt zur Verbesserung der Patientenversorgung notwendig ist, sei bei zahlreichen aufgeführten Stichworten (Schlaganfall, Querschnittslähmung, stark erhöhter Blutdruck usw.) nicht klar erwiesen. „Eine derart häufige Disposition von NEF oder gar RTH gemäß dem vorliegenden NAIK kann angesichts der aktuellen Daten- und Ressourcenlage kein wünschenswertes Ziel darstellen.“ Daten zum gezielteren Einsatz von notarztbesetzen Rettungsmitteln seien aber durchaus verfügbar.

Die DGINA fordert, zukünftig ein System von „Notfallstufen oder -kategorien“ zu entwickeln, das das gesamte Spektrum der präklinischen Notfall- und Akutmedizin abbildet. Darin sollten sowohl die Expertise als auch die notwendige Reaktionsgeschwindigkeit zur Versorgung des jeweiligen Notfallbildes festgelegt werden. Daraus ergäbe sich eine bundesweit einheitliche Grundlage für die standardisierte Notrufabfrage und -disposition, die dann auch fortlaufend wissenschaftlich evaluiert und verbessert werden könne. „Dies müsste aber in Abstimmung mit allen relevanten Akteuren der präklinischen Notfallmedizin geschehen, da sonst auch grundsätzlich positiv intendierte Vorhaben wie die des AK NAIK mangels Konsentierung oder gesetzlicher Regelungskompetenz keine einheitlich flächendeckende Umsetzung erfahren werden.“

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