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Fahrlässige Tötung durch Leitstellenmitarbeiter

01.11.2007, 15:30 Uhr

Foto: F. Fuchs

Das Amtsgericht Stendal hat am 12. Oktober 2007 einen Leitstellenmitarbeiter wegen fahrlässiger Tötung zu einer 10-monatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt (Az. 21 Ls 301 Js 982/07). Der Angeklagte verrichtete am 7. Januar 2007 in der Feuerwehr- und Rettungsleitstelle des Landkreises Stendal Dienst als Einsatzstellenleiter. Dort erreichte ihn um 4.22 Uhr über den Notruf 112 ein Anruf, in dem er aufgefordert wurde, einen Krankenwagen zu einer Wohnung zu entsenden, wo ein Mann einen Epilepsie-Anfall gehabt habe. Dabei wies die Anruferin darauf hin, dass der Mann bereits vorher einen solchen Anfall erlitten habe. Der Leitstellenmitarbeiter, dem der Mann aufgrund vorangegangener und im Computersystem festgehaltener Einsätze als Alkoholiker bekannt war, lehnte das Ansinnen der Anruferin mit der Begründung ab, dass eine stationäre Aufnahme im Krankenhaus nicht erforderlich sei, wenn der Anfall bereits vorüber sei. Er verwies auf den ärztlichen Notdienst der Stadt Stendal und erklärte, dass der Mann sich ausschlafen und beruhigen solle oder ihn selbst unter der 112 anrufen solle.

Um 5.11 Uhr erreichte den Leitstellenmitarbeiter wieder über die Rufnummer 112 ein Anruf einer Bekannten des kranken Mannes, in dem sie erneut darum bat, einen Krankenwagen zu schicken. Dabei teilte sie mit, dass der Mann nicht aufstehen könne, ganz nass sei und nicht sprechen könne. Auch dieser Aufforderung kam der Leitstellenmitarbeiter nicht nach, weil er trotz der geschilderten Symptome der Auffassung war, dass der Mann lediglich betrunken sei und daher keinen Krankenwagen benötige. Trotz mehrfacher Aufforderung der Anruferin, einen Krankenwagen zu entsenden, verblieb der Angeklagte bei seiner Ablehnung, da der Mann „nicht immer trinken und dann sagen könne, er will einen Krankenwagen haben“. Aufgrund eines weiteren Anrufes in der Rettungsleitstelle am um 11.19 Uhr wurde schließlich ein Notarzt entsandt, der jedoch um 11.23 Uhr nur noch den Tod des Mannes feststellen konnte.

Bei der durchgeführten Obduktion wurde festgestellt, dass der Mann in den Morgenstunden durch einen Volumenmangelschock infolge einer oberen Gastrointestinalblutung (Magenblutung) verstorben ist. Der Tod hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden werden können, wenn der Angeklagte entsprechend der ihm bekannten Indikationsliste für den Einsatz des NEF, NAW oder RTH, die sowohl bei einer Alkoholintoxikation als auch bei epileptischen Anfällen den Einsatz eines NAW vorsieht, einen Krankenwagen zur Wohnung des Mannes geschickt hätte, der diesen in ein Krankenhaus überführt hätte, wo er durch eine sofortige Notoperation hätte gerettet werden können. Zudem hätte der Angeklagte als erfahrener Rettungssanitäter erkennen können und müssen, dass es sich bei dem Getöteten aufgrund der von der Anruferin geschilderten Schweißausbrüche um einen Schockpatienten handelte, der ebenfalls sofortiger medizinischer Hilfe bedurft hätte. Jedenfalls hätte der Angeklagte aber von einer so genannten unklaren Notlage ausgehen müssen, die ihn grundsätzlich verpflichtet hätte, einen Krankenwagen zu entsenden, um sicher feststellen zu können, ob es sich um einen echten Notfall handelte.

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