Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann hat die dringliche Anfrage der SPD-Fraktion am gestrigen Dienstag (wir berichteten hier) im Landtag in Hannover beantwortet. Schünemann sieht den öffentlichen Rettungsdienst auf der Grundlage des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes (NRettDG) als Teilbereich der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr und als hoheitliche Aufgabe. Demzufolge bestehe auch nach der Novellierung des Rettungsdienstgesetzes im Jahre 2007 in Niedersachsen keine Verpflichtung für die kommunalen Träger, die Beauftragung Dritter mit Leistungen des Rettungsdienstes gem. § 5 NRettDG im Wege der Ausschreibung vorzunehmen.
Mit der Streichung der ehemals in § 5 NRettDG festgelegten Auswahlkriterien im Zuge der Gesetzesnovellierung habe der Niedersächsische Landtag lediglich ein ausschreibungstaugliches – und damit auch für den Fall einer zu Ausschreibungen verpflichtender Entscheidung des EuGH europarechtskonformes – Gesetz geschaffen. Die Träger des Rettungsdienstes seien nun nicht mehr verpflichtet, die ehemaligen Kriterien anzuwenden. Sie können aber weiterhin die Vielfalt der Anbieter und gewachsene Strukturen berücksichtigen, wenn sie bei ihrer Ermessensausübung im Rahmen der Auswahlentscheidung die generellen Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz beachten.
Das Innenministerium verweist auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, das bestätigt habe, dass nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) keine Ausschreibungspflicht für rettungsdienstliche Leistungen besteht (11 LB 266/07). Ein dieser Auffassung entgegenstehender Beschluss des Bundesgerichtshof (X ZB 31/08) zum Vergabeverfahren im Feistaat Sachsen entfalte hingegen „keine unmittelbare Wirkung in Niedersachsen“. Der BGH führe im Kern aus, dass Rettungsdienstträger, die ihre Dienstleistungen nach sächsischem Rettungsdienstrecht durch Dritte im Wege des Submissionsmodells ausführen lassen, künftig national ausschreiben müssen. Eine Übertragung auf Niedersachsen scheide aus, weil weder die Streit befangenen Parteien noch der Streitgegenstand – unterschiedliche Landesrettungsdienstgesetze – identisch seien. Zudem stehe dem die niedersächsische obergerichtliche Rechtssprechung entgegen, und ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Rechtssache Klage C-160/08) gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Vergabepraxis von Dienstleistungsaufträgen im Bereich des öffentlichen Rettungsdienstes sei auch noch nicht entschieden. Sowohl das Innenministerium als auch das Wirtschaftsministerium empfehlen den kommunalen Rettungsdienstträgern zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch weiterhin nicht, den in Niedersachsen nicht bindenden BGH-Beschluss umzusetzen.