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Katastrophenmedizin: Neues Hannoveraner MANV-Konzept kontrovers diskutiert

08.09.2005, 07:07 Uhr

Foto: Holger Scholl

Am 18. Juni dieses Jahres veranstaltete die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) gemeinsam mit der Berufsfeuerwehr Hannover und den Rettungsorganisationen eine Katastrophenübung. Im Rahmen dieser Vollübung wurde eine neues katastrophenmedizinisches Konzept „Überörtliche Hilfe beim MANV“ mit über 1.000 Patienten erprobt. Dabei wurden ausschnittartig über 100 schwer verletzte Patienten nach kurzer Sichtung und Stabilisierung in die maximalversorgende Klinik gebracht und dort operativ behandelt. Die Verantwortlichen stellten deutlich heraus, dass die chirurgische Erstbehandlung (Damage Control Surgery) dabei im Vordergrund stünde, wie es auch in Israel der Fall sei, wobei dort auf die Stabilisierung vor Ort verzichtet würde.

„Im medizinischen Rahmenkonzept wurde explizit dargestellt, dass dieses Konzept den örtlichen Gegebenheiten anzupassen ist und keinen allgemein verbindlichen Anspruch erhebt“, betonen die Hannoveraner Mediziner. Beim Sanitätsdienst der Bundeswehr und der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren wäre dieses Konzept jedoch auf positive Resonanz gestoßen. Die vier größten Kliniken in Hannover hätten sich für dieses Konzept entschieden. Darüber hinaus wäre es auch für die kommende Fußball-WM geeignet.

Dem widerspricht der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für KatastrophenMedizin (DGKM) e.V., Prof. Dr. Peter Sefrin, in aller Deutlichkeit. Das vorgenannte MANV-Konzept bezeichnet er als nicht akzeptabel, da es dabei um eine Verlagerung des Chaos in die Kliniken kommen und es gegen die international üblichen Planungen sprechen würde. Der Katastrophenmediziner betont, dass die Kliniken durch die Gesundheitsreform ohnehin schon unter Kapazitätsengpässen sowohl bei den Betten als auch beim Personal leiden würden. Diese Situation würde bei einem MANV noch erheblich verschärft, was zu einem Chaos in den Kliniken führt, wie an den Beispielen von Ramstein (negativ) und Eschede (positiv) zu sehen sei.

Sefrin verteidigt die heute geltende katastrophenmedizinische Vorgehensweise, die aus Triage, Stabilisierung auf einem zeitweise autark arbeitenden Behandlungsplatz und einer geordneten Verteilung auf Schwerpunktkliniken durch den LNA besteht, um somit die Patienten entsprechend der tatsächlich vorhandenen Transport- und Behandlungskapazitäten einer Definitivversorgung zuführen zu können. „Einigkeit besteht mit der Forderung nach einer zeitlich dringenden Versorgung, die aber nur durch ein Netz von Krankenhäusern gewährleistet werden kann. Diese müssen aber sowohl personell wie materiell darauf vorbereitet sein, was heute noch nicht unterstellt werden kann“, unterstreicht Sefrin. (Scholl)

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