Nachdem die „Loveparade“ im vergangenen Jahr im benachbarten Bochum abgesagt wurde, weil die Sicherheit nicht gewährleistet werden konnte, fand sie am vergangenen Samstag wieder im tiefen Westen der Republik statt. Bereits im Vorfeld war die Veranstaltung in Duisburg außerordentlich umstritten, da Polizei und Feuerwehr erhebliche Sicherheitsbedenken geäußert hatten. Nach einem eher schleppendem Besucherfluss füllte sich mit Beginn der Veranstaltung um 14.00 Uhr das dafür eigens mit Bauzäunen abgesperrte Gelände des ehemaligen Duisburger Güterbahnhofs zunehmend. Einziger Zugang bestand über einen Tunnel, der von beiden Seiten des Hauptbahnhofs von den Ravern genutzt werden konnte und zugleich auch als einziger Ausgang diente. Nach 17.00 Uhr kam es infolge einer Massenpanik zu dramatischen Szenen in dem Tunnel und der davorliegenden Zugangsrampe. Dabei kamen am Ort des Geschehens über 10 Personen zu Tode und Hunderte wurden zum Teil schwer verletzt, was zu einer Großschadenslage und einem Katastropheneinsatz mit überörtlicher Hilfe (ÜMANV) führte.
Zur Absicherung der weltweit größten Techno-Party hatten die vier Hilfsorganisationen (ASB, DRK, JUH, MHD) rund 30 Sanitätsstationen auf dem Veranstaltungsgelände und dem Umfeld errichtet, insbesondere auf den beiden Wegen vom Hauptbahnhof zum Tunnel. Trotz fehlender Feuerwehrpläne standen auch Kräfte der Feuerwehr zum Brandschutz und zur Unterstützung des Rettungs- und Sanitätsdienstes am Veranstaltungsort bereit. Nach Eintritt der Katastrophe eilten die ersten Einsatzkräfte von den benachbarten Sanitätsstationen zur Hilfe. Die aus Sicherheitsgründen ohnehin gesperrte A 59 wurde nach der Massenpanik zur „Klinikmeile“ umfunktioniert, wo neben Behandlungs- und Betreuungsplätzen auch Bereitstellungsräume für die aus ganz Nordrhein-Westfalen nachrückenden Einsatzkräfte entsprechend dem Katastrophen-/ÜMANV-Plan und ein behelfsmäßiger Hubschrauberlandeplatz für die Rettungshubschrauber aller Luftrettungsorganisationen (ADAC, BBK/BPOL, DRF Luftrettung) sowie den SAR-Hubschrauber der Bundeswehr errichtet wurde. Eine Lageerkundung und Dokumentation erfolgte durch über dem Areal kreisende Polizeihubschrauber. Darüber hinaus eilte eine Vielzahl von Notfallseelsorgern zur Einsatzstelle, um Psychische Erste Hilfe (PEH) zu leisten und Betroffene zu betreuen. Zur Vermeidung einer weiteren Panik entschieden sich Verantwortliche und Veranstalter zur Fortsetzung der „Loveparade“, die planmäßig um 23.00 Uhr beendet wurde. Der Großeinsatz dauerte bis 2.00 Uhr in der Nacht.
Gestern informierte der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger die Landtagsfraktionen über den Einsatz von Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen bei der Loveparade: „Das war für alle ein ganz schwieriger Einsatz. Viele von ihnen sind bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit gegangen und haben nach dem schrecklichen Ereignis so schnell wie möglich gehandelt und Verletzte und Betroffene medizinisch und psychologisch betreut. Das verdient unsere Hochachtung“, sagte der Innenminister in Düsseldorf. Nach Angaben des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen waren während der diesjährigen Loveparade rund 4.100 Polizisten aus NRW, anderen Bundesländern und der Bundespolizei eingesetzt, mehr als doppelt so viel wie bei der „Loveparade“ 2007 in Dortmund. Mehr als 5.600 Rettungskräfte und Feuerwehrleute aus ganz NRW waren im Einsatz. „In Duisburg ist mir von eingesetzten Verantwortlichen gesagt worden, dass die Zusammenarbeit beim Rettungseinsatz gut geklappt hat“, sagte Jäger.
Nachdem am gestrigen Abend eine 21-jährige Frau verstarb umfasst die traurige Bilanz nun 20 Tote und 510 zum Teil schwer Verletzte. Polizei und Hilfsorganisationen haben für traumatisierte Beamte und Rettungskräfte Hotlines zur Einsatznachsorge eingerichtet, deren Rufnummern auf den Internet-Seiten der Polizei NRW und der Bundesverbände einzusehen sind. Heute wird nun auch ein TÜV für Massenveranstaltungen gefordert. Die Staatsanwaltschaft Duisburg ermittelt wegen fahrlässiger Tötung. Aus Gründen der Objektivität hat die Polizei Duisburg die Ermittlungen an die Kölner Polizei abgegeben. (Scholl)
"Großveranstaltungen" war das Schwerpunktthema der RETTUNGSDIENST im März 2009. Hier können Sie sich das gesamte Heft ansehen.
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