Am vergangenen Dienstag diskutierten Vertreter von Politik, Wirtschaft, Kommunen, Verbänden und Krankenkassen in Frankfurt über den Optimierungsbedarf der Notfallversorgung. Zur Fachveranstaltung „Rettung in Not – Reformbedarf in der Notfallversorgung“ hatte der Verband der Ersatzkassen (vdek) geladen. Im Mittelpunkt standen strukturelle Probleme, die Überlastung des Personals durch den Fachkräftemangel und die gesetzliche Verankerung aller Sektoren der Notfallversorgung im SGB V.
Einen Problemaufriss zur anschließenden Podiumsdiskussion gaben der Grünen-Politiker Dr. Janosch Damen sowie die Vorträge von Christof Chwojka, Geschäftsführer der Björn-Steiger-Stiftung, und Prof. Ulrich Wenner, ehemals vorsitzender Richter am Bundessozialgericht. Dahmen, Gesundheitspolitischer Sprecher von Bündnis90/Die Grünen, machte deutlich, dass die notwendige Expertise für eine zukunftsfähige Notfallversorgung auf dem Tisch liege – insbesondere durch genug Modellprojekte im Rettungswesen –, jetzt müsse diese von politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern umgesetzt werden.
Mit Blick auf die Ausgaben für Rettungswagen, die in den letzten zehn Jahren um 161% auf über 4 Mrd. Euro gestiegen seien, forderte vdek-Abteilungsleiter Ambulante Versorgung Boris von Maydell eine Reform des Rettungsdienstes. Es brauche eine stärkere digitale Vernetzung zwischen 112 und 116 117, die heutigen Leitstellen seien zu Gesundheitsleitstellen auszubauen, von wo aus auch andere Versorgungsangebote wie eine pflegerische Notfallversorgung oder der psychosoziale Notdienst angesteuert werden könnten. Der Patient müsse das bekommen, was er brauche, nicht was er gern hätte, ergänzte Christof Chwojka in Hinblick auf eine standardisierte, qualitätsgesicherte und nachvollziehbare Vermittlung der Hilfeersuchen.
Laut Prof. Wenner könne der Bund seine Gesetzgebungskompetenz für die Sozialversicherung nutzen, um den rechtlichen Rahmen für die Leistungen und die Qualität des Rettungsdienstes und deren Kosten zu regeln. Die damit verbundenen verfassungsrechtlichen Risiken seien nicht größer als bei den aktuellen Gesetzesvorhaben des Bundes im Krankenhausbereich.
Armin Beck, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, verwies auf Projekte, u.a. das seit zwei Jahren laufende Modellprojekt zur „Sektorenübergreifenden ambulanten Notfallversorgung (SaN)“. Dabei werde auf die Vernetzung von Rettungsdienst und ambulanter Versorgung gesetzt. So fahre der Rettungsdienst Patienten, die keine Notfallversorgung im Krankenhaus benötigen, zur Versorgung in eine Arztpraxis oder ärztliche Bereitschaftsdienstzentrale. Diese Patientensteuerung schone Ressourcen und entlaste die Notaufnahmen, so Beck.
Dr. Ben Michael Risch, zuständiger Referatsleiter im Hessischen Gesundheitsministerium, hob hervor, dass die Notfallversorgung umfassend gedacht werden müsse und man nicht in eine sektorenspezifische Betrachtung zurückfallen dürfe. Hier pflichtete Claudia Ackermann, Leiterin der vdek-Landesvertretung Hessen, bei: Die aktuellen Strukturen mit ihren sektoralen Grenzen sowie unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen verhinderten eine passgenaue, qualitätsgesicherte und effiziente Versorgung. Es brauche u.a. eine einheitliche Bedarfsplanung über die Sektorengrenzen hinweg und die landesweite Modernisierung insbesondere der Leitstellenstrukturen.
Die gesamte Podiumsdiskussion kann hier abgerufen werden.