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Neue Leitlinien zur Reanimation 2020 veröffentlicht

22.10.2020, 09:12 Uhr

Foto: ASB/M. Soltau

Erster Überblick zu den Änderungen


Am 21. Oktober 2020 veröffentliche die American Heart Association (AHA) ihre neuen Reanimationsleitlinien 2020. Basierend auf den Empfehlungen des ILCOR ist die AHA die erste große Fachgesellschaft, die dieses Jahr ihre Leitlinien präsentiert. Auch das European Resuscitation Council (ERC) wird in den nächsten Wochen seine Leitlinien veröffentlichen. Bis zum 5. November kann auf der Leitlinien-Seite des ERC bereits ein erster Blick in den vorläufigen Entwurf geworfen werden. Danach werden diese nochmals final ergänzt und veröffentlicht. Hier ein erster Überblick:

Reanimation Erwachsener
Im Bereich der Reanimation hat sich bei den Erwachsenen nicht sehr viel getan. Es wird weiterhin ein Kompressions-Beatmungs-Verhältnis von 30:2 empfohlen.

Defibrillation
Für die Defibrillation weichen die AHA-Leitlinien leicht vom Entwurf des ERC ab. Die AHA empfiehlt eine Defibrillation mit 120-200 J (biphasisch) bzw. 360 J (monophasisch). Beim ERC heißt es hingegen 150 J (biphasisch) bzw. 120-150 J (gepulst biphasisch). Die monophasische Defibrillation wird im aktuellen Entwurf gar nicht erwähnt. Beide Gesellschaften sehen keinen Vorteil in der sogenannten „Double Sequence Defibrillation“, sodass es keine Empfehlung zur Routineanwendung gibt.

Medikamente
Nach Studien, die dem Adrenalin zwar ein gutes Kurzzeitüberleben, aber ein schlechtes Langzeit-Outcome bescheinigten, wurde Adrenalin in den Leitlinien von 2015 etwas kritischer betrachtet. In den aktuellen Empfehlungen der AHA hat Adrenalin wieder eine stärkere Empfehlung und soll beim Vorliegen eines nicht-schockbaren Rhythmus (z.B. Asystolie oder PEA) so früh wie möglich und im Verlauf alle 3 – 5 Minuten verabreicht werden. Die Dosis ist weiterhin 1 mg. Beim schockbaren Rhythmus (z.B. Kammerflimmern oder pulslose ventrikuläre Tachykardie) steht die Defibrillation im Vordergrund. Adrenalin wird hier gemäß ERC-Entwurf (wie bisher) erst nach der 3. Defibrillation verabreicht. Die AHA empfahl und empfiehlt auch jetzt die erste Adrenalingabe bereits nach Schock 2. Als Applikationsweg wird prinzipiell die intravenöse Gabe empfohlen. Sollte die iv-Gabe nicht zeitnah möglich sein soll die intraossäre Gabe erwogen werden.

Bei Antiarrhythmika hat sich soweit im Vergleich zum Vorjahr nur beim AHA-Algorithmus etwas verändert. Während der Entwurf des ERC weiterhin die Gabe von Amiodaron bevorzugt und Lidocain nur dann empfiehlt, wenn Amiodaron nicht verfügbar ist, stuft die AHA beide Medikamente als gleichwertig ein. Die AHA empfiehlt als Initialdosis 300 mg Amiodaron bzw. 1 – 1,5 mg/kgKG Lidocain und als Wiederholungsdosis 150 mg Amiodaron bzw. 0,5 – 0,75 mg/kgKG Lidocain. Auch das ERC empfiehlt für Amiodaron 300 mg bzw. 150 mg. Für Lidocain gibt es aber konkret 100 mg bzw. 50 mg an.

Ultraschall
Die stärkere Einbindung von Point-of-care-Ultraschall (POCUS) wird sowohl von der AHA als auch vom ERC unterstützt. Die Anwendung der Sonografie kann helfen, reversible Ursachen für das Vorliegen eines Kreislaufstillstands zu identifizieren. Die Durchführung darf dabei aber nicht zu einer Verzögerung der Thoraxkompressionen führen. Beide Gesellschaften sind sich einig, dass POCUS nicht als alleiniges Kriterium für die Beendigung von Reanimationsbemühungen verwendet werden soll.

Reanimation bei besonderen Umständen
Die Leitlinien beinhalten in der Regel Empfehlungen für die Reanimation beim Vorliegen besonderer Umstände. Für die Leitlinien 2020 hat das ILCOR dabei vor allem in folgenden Bereichen Empfehlungen gegeben: Lungenembolie, extrakorporale CPR (eCPR), Ertrinken, Schwangerschaft und Opiatintoxikation.

Schwangerschaft
Die AHA-Leitlinien warten bereits mit einem eigenen Algorithmus für die Behandlung eines Kreislaufstillstands bei Schwangeren auf. Im Vordergrund steht die linkslaterale Uterusverlagerung zum Ausschluss eines Vena-cava-Kompressionssyndroms. Bei Patienten mit Fundusstand Bauchnabel oder höher empfiehlt die AHA die Durchführung einer Notfall-Sectio binnen fünf Minuten nach Eintreten des Kreislaufstillstands, sofern Expertise und Equipment vorhanden sind.

Opiatintoxikation
2020 beinhalten die AHA-Leitlinien erstmals konkrete Empfehlungen für die Behandlung eines opiat-bedingten Kreislaufstillstands. Dies ist vor allem auf die in den USA bestehende Opioidkrise zurückzuführen. Die AHA empfiehlt hier eine frühzeitige Gabe von Naloxon selbst durch Laien. Eine entsprechende Empfehlung lässt sich im Entwurf des ERC allerdings nicht finden.

Post-ROSC-Behandlung
Die Weiterbehandlung von Patienten mit wiedereinsetzendem Spontankreislauf (ROSC) hat in den letzten Leitlinien zunehmend an Bedeutung gewonnen. Auch in den Leitlinien 2020 wird hierauf großer Wert gelegt.

Beatmung
Als Zielparameter für die Beatmung gibt die AHA eine Sauerstoffsättigung (SpO2) von 92 – 98% und ein arterielles CO2 (PaCO2) von 35 – 45 mmHg an. Im Entwurf des ERC heißt es wie auch in den Leitlinien 2015: SpO2 94 – 98% und PaCO2 35 – 45 mmHg. Beide Leitlinien empfehlen die lungenprotektive Beatmung mit 6 – 8 ml/kgKG (Idealgewicht).

Kreislauf
Bezüglich der Kreislaufparameter machen die AHA und das ERC unterschiedliche Angaben. Während die AHA einen systolischen Blutdruck von mehr als 90 mmHg und einen mittleren arteriellen Blutdruck (MAP) von mindestens 65 mmHg empfiehlt, spricht das ERC im aktuellen Entwurf lediglich von der Vermeidung eines MAP von weniger als 65 mmHg. Der MAP soll so angepasst werden, dass eine adäquate Urinausscheidung (> 0,5 ml/kgKG/h) bei gleichzeitig normalem Laktatwert gewährleistet ist.

Kinder-Reanimation
Zur Reanimation von Kindern existiert zurzeit nur die Leitlinie der AHA. Der Entwurf des ERC ist aktuell nicht verfügbar. Analog zur Reanimation Erwachsener hat sich auch bei den Kindern am Kompressions-Beatmungs-Verhältnis nichts geändert. Es wird weiterhin ein Verhältnis von 15:2 empfohlen.

Beatmung
Basierend auf neuen Daten empfiehlt die AHA in ihrer Leitlinie 2020 die Durchführung einer Beatmung alle 2 – 3 Sekunden. Damit empfiehlt die neue Leitlinie eine Beatmungsfrequenz von 20 – 30 pro Minute und liegt damit leicht über der Empfehlung von 2015. Für die Intubation wird zur Reduktion einer möglichen Leckage die Verwendung von Tuben mit Cuff empfohlen. Die routinemäßige Anwendung des Krikoiddrucks während der Intubation wird nicht mehr empfohlen.

Defibrillation
Die Defibrillation erfolgt weiterhin mit 2 J/kg (1. Schock) und 4 J/kg (folgende Schocks).

Medikamente
Ebenfalls analog zur Reanimation Erwachsener existiert eine klare Empfehlung zur frühestmöglichen Adrenalingabe beim Vorliegen eines nicht-schockbaren Rhythmus. Auch bei den Kindern werden Amiodaron und Lidocain als gleichwertig betrachtet.

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