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Österreichisches Gericht bewertet Notfallsanitäter als ungelernte Arbeiter

20.05.2022, 10:17 Uhr

Foto: Berufsrettung Wien

Ausbildung reiche nicht an einen Lehrberuf heran


Der Oberste Gerichtshof in Österreich hat die Klage auf Revision eines bei der Wiener Berufsrettung als Sanitäter/Notfallsanitäter tätigen Mitarbeiters abgewiesen, der aufgrund einer Erkrankung eine Berufsunfähigkeitspension beantragt hat (10ObS32/22m). Er sei nicht mehr in der Lage, leichte körperliche Arbeiten im Sitzen, Stehen und Gehen auszuüben und könne aufgrund seines medizinischen Leistungskalküls nicht mehr als Rettungssanitäter erwerbstätig sein. Er sei jedoch in der Lage, etwa als Tagportier zu arbeiten, so das Gericht. Der Kläger hat bei der Wiener Berufsrettung zur Ausbildung als Sanitäter und Notfallsanitäter mit den besonderen Qualifikationen zum Legen von Venenzugängen und zu Intubationen insgesamt 980 Ausbildungsstunden absolviert. Er betreute als Notfallsanitäter bis zu seinem Krankenstand eigenverantwortlich Notfallpatienten, auch solche, bei denen im Rahmen einer akuten Erkrankung, einer Vergiftung oder eines Traumas eine lebensbedrohliche Störung der vitalen Funktionen eingetreten war, indem er eigenverantwortlich im Rahmen von Maßnahmen zur unmittelbaren Abwehr von Gefahren für das Leben oder die Gesundheit des Notfallpatienten Venenzugänge legte und, wenn es die Situation erforderte und der Notarzt noch nicht vor Ort war, auch Intubationen vornahm. Narkosemittel durfte er aber nicht verabreichen, solange der Notarzt nicht vor Ort war.

Die Pensionsversicherungsanstalt hat seinen Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension abgelehnt, weil Berufsunfähigkeit nicht vorliege. Zudem liege auch keine vorübergehende Invalidität im Ausmaß von mindestens sechs Monaten vor und es bestehe kein Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung sowie auf medizinische oder berufliche Maßnahmen der Rehabilitation. Der Notfallsanitäter argumentierte, er sei nicht mehr in der Lage, seinen Beruf als Notfallsanitäter auszuüben und genieße als solcher Berufsschutz, weil dieser Beruf einem gelernten Arbeiterberuf oder auch einem Angestelltenberuf gleichzusetzen sei. Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Kläger habe ungelernte Arbeitertätigkeiten verrichtet, sodass er auf den gesamten Arbeitsmarkt verweisbar und somit nicht berufsunfähig sei. Auch das Berufungsgericht schloss sich der Berufung des Klägers nicht an. Der Beruf des Notfallsanitäters sei nicht als höherer, nicht-kaufmännischer Dienst einzustufen. Aufgrund der verhältnismäßig kurzen Ausbildungszeit sei davon auszugehen, dass die Ausbildung zum Notfallsanitäter vom Umfang der vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten her nicht an einen Lehrberuf mit durchschnittlich dreijähriger Lehrzeit heranreiche. Dieser Umstand werde auch durch die Verpflichtung des Sanitäters, alle zwei Jahre Fortbildungen in der Dauer von mindestens 16 Stunden zu besuchen, nicht aufgewogen. Dieser Auffassung schloss ich der OGH an. Beim in § 10 SanG beschriebenen Tätigkeitsbereich des Klägers als Notfallsanitäter stünden manuelle Arbeiten und den Notarzt unterstützende Tätigkeiten im Vordergrund. Das (wenn auch eigenverantwortliche) Setzen notfallmedizinischer Maßnahmen durch den Notfallsanitäter sei nur eingeschränkt vorgesehen, wenngleich im Fall des Klägers besondere Notfallkompetenzen (§ 11 SanG) hinzukämen, nämlich das Legen von Venenzugängen oder die Intubation.

Stumpf + Kossendey Verlag, 2024
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