Dürfen Rettungsmittel nach Schichtende im Rahmen der im Rettungsdienst üblichen Nächsten-Fahrzeug-Strategie noch für Notfallrettungseinsätze durch die Leitstellen disponiert werden? Das baden-württembergische Innenministerium hat zu dieser Frage in einem Schreiben vom 22. April 2015 Stellung genommen. Darin heißt es, der maßgebliche Dispositionsgrundsatz für die Notfallrettung ist „der Einsatz des nächsten geeigneten Rettungsmittels, das den Notfallort am schnellsten erreicht.“ Geeignet im Sinne dieser Regelung seine nur solche Rettungsmittel, die auf gesetzlich zulässige Weise und entsprechend der festgelegten Schichtzeiten disponiert werden dürfen. „Damit sind Fahrzeuge der Notfallrettung, die entgegen den Festlegungen des Arbeitszeitgesetzes oder des Tarifvertrages und außerhalb der regulären Schichtzeit alarmiert werden, im Grundsatz keine geeigneten Rettungsmittel mehr und dürfen daher nicht für Folgeeinsätze disponiert werden.“ Versorgungsstrukturen und Vorhaltezeiten seien ggf. an den konkreten Bedarf und die jeweiligen Einsatzzahlen anzupassen.
Die Rechtsanwaltskanzlei Spengler & Kollegen hat dazu bereits erklärt, dass dies ein Handlungsauftrag an die Betriebs- und Personalräte sei. Für einzelne Mitarbeiter sei es aber keine Grundlage, um einen Notfalleinsatz, der über das Schichtende hinausgeht, nicht zu fahren. Auch Oberstaatsanwalt Ralf Tries, RETTUNGSDIENST-Redaktionsmitglied und Autor des Buches „Strafrechtliche Probleme im Rettungsdienst“, verweist auf die juristische Feinheit der Formulierung „im Grundsatz“, die Ausnahmen sehr wohl zulasse.
Das Hessische Sozialministerium hat bereits 2007 Schichtwechsel während eines Notfalleinsatzes ausdrücklich untersagt. Im Interesse der Patienten sei „jeder begonnene Einsatz von den Besatzungen (Rettungsdienstpersonal einschließlich Notärzte) der eingesetzten Rettungsmittel zu Ende zu führen“. Dies gelte auch dann, wenn dadurch das Dienstende überschritten werden muss. In keinem Fall dürfe der Transport der Patienten in das nächste geeignete Krankenhaus durch den Umweg über die Rettungswache und Wechsel des Einsatzpersonals verzögert werden.