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Sportlehrer müssen Erste-Hilfe-Maßnahmen rechtzeitig durchführen

04.04.2019, 15:35 Uhr

Foto: P. Niehoff/ASB

Bundesgerichtshof betont Unterschied zu Spontanhelfern


Der Bundesgerichtshof hat heute über Amtshaftungsansprüche eines Schülers wegen behauptet unzureichender Erste-Hilfe-Maßnahmen durch das Lehrpersonal des Landes Hessen entschieden (Urteil vom 4. April 2019 – III ZR 35/18). Dabei betonte er, dass Sportlehrern eine Amtspflicht obliegt, erforderliche und zumutbare Erste-Hilfe-Maßnahmen rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise durchzuführen. Die Situation einer Sportlehrkraft, die bei einem im Sportunterricht eintretenden Notfall tätig wird, sei daher nicht mit der einer spontan bei einem Unglücksfall Hilfe leistenden unbeteiligten Person zu vergleichen. Zur Führung des übernommenen Amtes gehören bei Sportlehrern auch die im Notfall gebotenen Erste-Hilfe-Maßnahmen, so das höchste deutsche Zivilgericht.

Verhandelt wurde der Fall eines Schülers aus Wiesbaden, der damals in der 13. Klasse war. Vor sechs Jahren war der angehende Abiturient im Sportunterricht bewusstlos zusammengesackt. Die Lehrer leisteten zwar Erste Hilfe, führten aber keine Reanimationsversuche durch. Der Schüler blieb dadurch acht Minuten lang ohne Sauerstoffzufuhr und erlitt bleibende Hirnschäden. Die Familie des heute schwerbehinderten 24-Jährigen argumentierte, dass mit einer Atemkontrolle und anschließender Herzdruckmassage und Atemspende durch die Lehrkräfte dem Schüler rechtzeitig hätte geholfen werden können. Ihre Klage wurde von den Vorinstanzen abgewiesen: Es sei nicht nachweisbar, ob die Sportlehrerin und ein herbeigeholter Lehrer Schäden hätten vermindern oder vermeiden können. Von den Gerichten wurde es auch abgelehnt, einen Sachverständigen einzuholen. Genau das hat der BGH beanstandet. Der Antrag ziele gerade darauf ab, den Zeitpunkt des Atemstillstands festzustellen und insoweit auch die Behauptung des beklagten Landes zu widerlegen, wonach die Atmung erst unmittelbar vor dem Eintreffen der Rettungskräfte ausgesetzt habe. Bekannt und unstreitig seien die Art und die Dauer der von dem Rettungspersonal durchgeführten Wiederbelebungsmaßnahmen. Auch gehe aus dem vorgelegten Notarzteinsatzprotokoll detailliert hervor, welche Befunde vor Ort bei dem Kläger erhoben worden seien (einschließlich der Sauerstoffkonzentration im Blut). Das Ausmaß des Hirnschadens sei ebenfalls dokumentiert. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein Sachverständiger anhand dieser Unterlagen in der Lage sein werde, weitere Aufklärung hinsichtlich der Geschehensabläufe zu leisten. Er könne dann vielleicht auch die Frage nach der Ursächlichkeit der (vom Berufungsgericht unterstellten) Versäumnisse der Lehrkräfte für den eingetretenen Hirnschaden beantworten.

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