Das Thema „Arbeitszeit, Rufbereitschaft oder Ruhezeit“ beschäftigt den Europäischen Gerichtshof nicht zum ersten Mal. Im aktuellen Fall (C-344/19), in dem der EuGH in absehbarer Zeit sein Urteil verkünden wird, hat der Generalstaatsanwalt beim Europäischen Gerichtshof nun seinen Schlussantrag vorlegt. Hintergrund sind drei zentrale Fragen:
- Unter welchen Voraussetzungen kann die Zeit, die ein Arbeitnehmer in Rufbereitschaft verbringt, als Arbeitszeit angesehen werden?
- Kann der in der Richtlinie 2003/88/EG enthaltene Begriff der Arbeitszeit so weit gehen, dass er Situationen umfasst, in denen sich der Arbeitnehmer, obwohl er nicht im Wortsinne „arbeitet“, in einer Situation befindet, die ihm keine tatsächliche Ruhezeit ermöglicht? Was sind die Merkmale einer „tatsächlichen Ruhezeit“ im Einklang mit den Zielen dieser Richtlinie?
- Ist es denkbar, dass es „Grauzonen“ gibt, in denen sich der Arbeitnehmer nicht in der Arbeitszeit, aber auch nicht in Ruhezeit befindet?
Der Kläger des Ausgangsverfahrens beim Verwaltungsgericht Darmstadt ist Beamter bei der Berufsfeuerwehr der Stadt Offenbach am Main und versieht in diesem Rahmen öfters den Dienst „Beamter vom Einsatzleitdienst“. Wird er alarmiert, so hat er sofort – unter Inanspruchnahme von Sonderrechten – mit seinem Dienstfahrzeug auszurücken. Er leistet seinen Dienst in Rufbereitschaft und hat seinen Aufenthaltsort während dieser Zeit so zu wählen, dass er die „Eingreifzeit“ von 20 Minuten einhält. Die Rufbereitschaft dauert unter der Woche von 17.00 bis 7.00 Uhr des folgenden Tages. Am Wochenende dauert sie von Freitag, 17.00 Uhr, bis Montag, 7.00 Uhr. Der Kläger beantragte nun die Anerkennung der Zeiten des Rufbereitschaftsdienstes als Arbeitszeit und die entsprechende Vergütung. Sein Arbeitgeber lehnte diese Anträge mit dem Argument ab, dass dieser Dienst nicht als Arbeitszeit angesehen werden könne.
Der Feuerwehrbeamte machte hingegen geltend, Bereitschaftszeiten könnten in seinem Fall auch als Arbeitszeit anzusehen sein, da sich der Arbeitnehmer nicht an einem vom Arbeitgeber vorgegebenen Ort aufhalten müsse. Andererseits setze ihm der Arbeitgeber eine sehr kurze Frist, um im Alarmierungsfall zum Einsatz zu kommen. So könne er an seinem Wohnort keinen Tätigkeiten nachgehen, die nicht unterbrochen werden dürften und sei in der Wahl seiner Freizeitaktivitäten stark eingeschränkt. Auf den letztgenannten Punkt stützt sich auch der Generalstaatsanwalt: „Ich bin daher der Ansicht, dass nicht so sehr der Ort, an dem sich der Arbeitnehmer während der Zeit der Rufbereitschaft befindet, eine entscheidende Rolle für die Einstufung dieser Zeit als Ruhezeit oder Arbeitszeit spielt, sondern die Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers selbst, die sich aus der auferlegten Reaktionszeit auf den Ruf zum Einsatz ergibt.“ Ein Termin, wann eine Gerichtsentscheidung vorliegen soll, ist nicht bekannt. (POG)